Blogbeitrag Pilotprojekt Mainz

KI als Lerninhalt im Medizinstudium – ein Pilotprojekt der Universitätsmedizin Mainz und des KI-Campus

Von Jenny Brandt
15.05.2023

Im Wintersemester 2022/23 wurde der Wahlpflichtkurs „KI in der Radiologie“, der in Zusammenarbeit mit dem KI-Campus als Blended-Learning-Format entstanden ist, zum ersten Mal an der Universitätsmedizin Mainz angeboten. Jenny Brandt, eine der beteiligten Dozierenden, berichtet von dem Pilotprojekt.

Eine deutschlandweite Studie von der Charité Berlin und dem KI-Campus beschäftigte sich 2021 ausführlich mit Lernangeboten zu Künstlicher Intelligenz in der Medizin (LeKIM).

Die darin enthaltene Bestandsanalyse zeigte, dass etwa drei Viertel der insgesamt 39 medizinischen Fakultäten (Stand 09/2021) Lehrveranstaltungen mit KI-Bezug im Curriculum vorweisen konnten. Eine Mehrheit (31/39) der Einrichtungen plante den Ausbau solcher Lernangebote. Die Kurse bewegten sich mehrheitlich im Wahl- bzw. Wahlpflichtbereich, nur einzelne Fakultäten konnten KI-Themen im Pflichtcurriculum nachweisen. Bei nur einer einzigen Fakultät zeigte sich der Ansatz einer vertieften Auseinandersetzung mit KI auf Basis der anvisierten Lernziele.

In der anschließenden Bedarfsanalyse wurden 24 Expert:innen aus den Bereichen Medizin, Informatik, Didaktik, Politik und Wirtschaft in semistrukturierten Interviews befragt. Die Übereinstimmung aller Beteiligten darin, dass im Medizinstudium zunehmend KI-Kompetenzen entwickelt werden müssen, zeigte, dass das Problem erkannt wurde. Grund hierfür sei der sich durch die digitale Transformation zukünftig verändernde Arbeitsalltag von Ärzt:innen, die lernen müssten, diese Technologien zu bewerten und anzuwenden.

Als Reaktion auf die Studie hat die Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsmedizin Mainz in Kooperation mit dem KI-Campus ein Pilotprojekt gestartet. Dabei wurde ein hybrider Ansatz verfolgt, bei dem sich die Studierenden KI-Grundlagen in Form von digitalen Lernformaten des KI-Campus aneignen sollten, die dann im Kontext der Präsenzveranstaltung vertieft wurden. Das Konzept sollte entsprechende Lernziele aus dem neuen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM 2.0) enthalten und auf andere Institutionen übertragbar sein. Diese Standardisierung erleichtert eine Implementierung ins Kerncurriculum des Medizinstudiums. Jene Überlegungen basierten auf dem häufig formulierten Ansatz der Expert:innen der LeKIM-Studie einer überregionalen Nutzung von Synergien, so dass nicht jede Fakultät „das Rad neu erfinden“ müsse. Zudem waren die Expert:innen sich mehrheitlich einig, dass qualitativ hochwertige Online-Kurse eine wichtige Brücke bilden könnten, wenn Dozierende beispielsweise an der Schnittstelle von Medizin und Informatik an Fakultäten fehlten.

Der Wahlpflichtkurs „KI in der Radiologie“ wurde im Wintersemester 2022/23 zum ersten Mal an der Universitätsmedizin Mainz für zehn Teilnehmer:innen der Fachsemester sieben bis neun umgesetzt. Zwei Wochen vor Kursstart erhielten die Teilnehmer:innen ein Briefing, in dem das Konzept des digital-gestützten Lehr-/Lernsettings erläutert wurde. Im Zuge des Onboarding-Prozesses registrierten sich die Studierenden auf dem KI-Campus, der für die Dauer der Wahlpflichtveranstaltung genutzt wurde.

Der aus acht Modulen bestehende Online-Kurs „Dr. med. KI – Basics“ der Charité diente der Vermittlung wichtiger KI-Grundlagen und bildete die Basis des digitalen Lernprozesses, der mit Präsenzphasen zur Vertiefung verknüpft wurde.
 

Dr. med. KI - Basics

Abbildung 1: Screenshot aus dem Kurs „Dr. med. KI – Basics“


Die Präsenzphase bestand aus drei Tagen Blockunterricht und wurde von sechs Dozierenden aus drei verschiedenen Standorten gestaltet. Durch die Vermittlung wichtiger Grundlagen in den Online-Lernphasen mit Einblicken in verschiedene medizinische Teilbereiche konnte in der Lehrveranstaltung ein stärkerer Fokus auf die Radiologie gerichtet werden. Das hybride Setting ermöglichte es, gemeinsam tiefer in ein medizinisches Fachgebiet zu blicken und mögliche Veränderungen durch die Nutzung KI-basierter Technologien zu diskutieren. Der Unterricht enthielt sieben praktische Einheiten, in denen die Studierenden zudem „hands on“ Grundlagen der Programmierung mit R erlernen und diese direkt anwenden konnten. Inhaltlich orientierte sich das Programmiertutorial an dem Kurs „Go for IT“, der wie die Formate des KI-Campus als OER zur Verfügung steht.
 

Präsenzveranstaltung 1

Abbildung 2: Präsenzveranstaltung zu Grundlagen der Programmierung

Zum Erhalt eines Leistungsnachweises mussten die Studierenden eines der Module von „Dr. med. KI – Basics“ im Eigenstudium vorbereiten und den Inhalt zusammengefasst in der Veranstaltung präsentieren. Dieses Vorgehen sollte sicherstellen, dass eine Auseinandersetzung mit den Online-Inhalten erfolgte, und ferner die Möglichkeit bieten, mögliche offene Fragen zu klären.
 

Präsenzveranstaltung

Abbildung 3: Präsenzveranstaltung zu KI in der Radiologie


Eine an den Kurs anschließende Befragung der Teilnehmer:innen ergab ein sehr gutes Feedback: Die Studierenden empfanden die behandelten Themen als hochrelevant und die Mischung aus Online-Kursen und Präsenzunterricht wurde als besonders gelungen hervorgehoben. Auch das Programmiertutorial war sehr beliebt und wurde über den Kurs hinaus als nützlich z. B. für die eigene Promotion beschrieben.

Als Ergänzung hätten die Studierenden sich teilweise noch eine Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten beim Einsatz von KI in der Medizin gewünscht, weshalb in Erwägung gezogen wird, zukünftig ein „Mainzer Modul“ in Zusammenarbeit mit dem KI-Campus zu erstellen (nach dem Vorbild des „Basler Moduls“). Durch diese bedarfsorientierte Ausrichtung und Entwicklungsperspektive könnte den Kursteilnehmer:innen ein individuell gestalteter und standortspezifischer Kurs zur Verfügung gestellt werden, der dennoch alle wichtigen Grundlagen zum Einsatz von KI in der Medizin abbildet.

Der Wahlpflichtkurs geht im aktuellen Sommersemester 2023 an der Universitätsmedizin Mainz in die zweite Runde. Die Anzahl der Plätze konnte auf zwölf erhöht werden, jedoch wird auch damit nicht im Ansatz die Nachfrage von über 100 Anmeldungen erfüllt. Es bedarf in Zukunft einer Ausweitung der Lehrinhalte auf das Kerncurriculum, sodass das Studium der hohen Relevanz des Themas KI für das Berufsfeld Medizin gerecht wird.

 

Literatur

Mosch, L., Back, D., Balzer, F., Bernd, M., Brandt, J., Erkens, S. et al. (2021). Lernangebote zu Künstlicher Intelligenz in der Medizin. Zenodo. 1:1-86.

Medizinischer Fakultätentag, Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin, Version 2.0 https://nklm.de/zend/menu (Online-Zugriff am 13.04.2023)

Baeßler, B., Pinto dos Santos, D., DRG/AGIT - Go for IT https://drgagit.github.io/go-for-it/ (Online-Zugriff am 13.04.2023)

Abdelhami, K., Reissenberger, P. (2022, November 29) KI-Campus in der Schweiz: Eine Kooperation mit der Universität Basel https://ki-campus.org/blog/basler-modul (Online-Zugriff am 13.04.2023)

Jenny Brandt
Jenny Brandt
Universitätsspital Basel

Jenny Brandt arbeitet als Ärztin in der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Universitätsspital Basel. Neben der klinischen Praxis ist sie in der Curriculumsentwicklung tätig mit besonderem Fokus auf die Integration digitaler Kompetenzen in die medizinische Ausbildung.

Zur Förderung von innovativer Didaktik und der Implementierung neuer Lehrformate in das Medizinstudium kooperiert sie seit mehreren Jahren mit dem KI-Campus aus Berlin.